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08.08.2022 - Reinfelder Bauern begegnen den aktuellen Herausforderungen durch Ideen und Innovationen

In diesem Jahr hatten einige Reinfelder Bauern die Mitglieder der Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung auf den „Travenhof“ eingeladen. Ziel war es, die Vertreter der Politik über die aktuellen Probleme der landwirtschaftlichen Betriebe und deren Bewältigung zu informieren. Bereits im letzten Jahr hatte ein solches Treffen auf dem Hof Steinhof erfolgreich stattgefunden. Nachdem ein vor Jahren von den initiierter Runder Tisch „im Sande verlaufen war“, hatte man diesen Weg gewählt, um bei den Stadtverordneten und der Stadt Reinfeld Gehör zu finden. Entsprechend waren auch Vertreter der CDU, SPD und WIR-Fraktion sowie eine Vertreterin des NABU gekommen, um sich zu informieren. Die Reinfelder Landwirte waren durch Lars Wichmann (Travenhof), Klaas Röhr (Hof Steinfeld) und Johannes Schacht (Hof Bolande) vertreten.

Auf der Agenda standen Themen, wie: Zukunft und Rolle der Landwirtschaft, alternative Betriebskonzepte und CO2-Speicherung durch Humusaufbau. Lars Wichmann hatte dann auch sogleich nach der Begrüßung mit der Führung durch seinen neuen Hofladen begonnen. Aus den Stallungen der Sauenzucht, die aufgegeben worden war, hatte die Familie Wichmann mit viel Arbeit und Liebe einen Hofladen geschaffen, der in keiner Weise mehr an die ehemalige Nutzung der Gebäude erinnerte. Das Warenangebot ist sehr vielseitig und jeder Artikel hat, wie Lars Wichman sichtlich stolz erwähnte, seine eigene Geschichte. Neben den eigenen, auf dem Hof erzeugten Produkten, sorgen Freunde und Verwandte aus der Umgebung für eine reichhaltige Palette an lokalen Artikeln, die einen Besuch des Hofladens für Jeden zu einem Erlebnis werden lassen. Da sind nicht nur die kulinarischen Erzeugnisse zu erwähnen. Kunstgewerbliches und Gegenstände des täglichen Gebrauchs wurden liebevoll zusammengestellt und wer nach dem Essen ein gepflegtes Bier oder hochprozentiges trinken möchte, findet neben einer Vielzahl von nichtalkoholischen Leckereinen auch Alkoholisches; selbstverständlich regional erzeugt.

Nach dem Besuch des Hofladens führte uns Lars Wichmann über die B75 zum Überflutungsgebiet der Trave, wo sechs vollautomatisierte „Hühnerwagen“ aufgestellt waren. Diese mobilen Stallungen dienen der Freilandhaltung von etwa 2400 Legehennen und sind ein weiteres Standbein des Travenhofs. Nicht nur die automatisierte Fütterung der Hühner und die Eiablage erfolgt in diesen Wagen, in Ihnen übernachten auch die Tiere. Am Morgen öffnen sich zeitgesteuert die Klappen der Hühnerställe und die Hühner strömen auf das umzäunte Freigelände. Hier können sie nach Belieben scharren und vielleicht auch mal einen Wurm oder Käfer erhaschen. Zur Abwechslung befinden sich auch ein paar Hähne zwischen den etwa 350 Hennen. Diese dienen nicht nur zur Unterhaltung der Legehennen, sie vertreiben auch unliebsame Gäste wie Krähen und andere Futterräuber. Die Eier des Travenhofs erfüllen zwar nicht die strenge Norm, um mit dem Bio-Zertifikat vermarktet werden zu können, Ställe und Freigelände sind jedoch so ausgelegt, dass die Anforderungen für die Freilandhaltung sogar übertroffen werden.

Ein weiteres Thema waren die Feldfrüchte der Reinfelder Äcker. Klaas Röhr, dessen Haupterwerb der Anbau und die Ernte dieser Erzeugnisse auf seinen mehr als 800 ha Ackerland sind, hatte auf einem Tisch verschiedene Getreidesorten, Rüben, Bohnen, Raps und sogenannte Zwischenfrüchte ausgebreitet. Sehr fachkundig erläuterte er die Bedeutung der einzelnen Feldfrüchte für die Ernährung der Menschen und die Güte des Ackerbodens. Hierbei hob er nicht nur die Bedürfnisse der Pflanzen für ein gesundes Wachstum hervor, sondern wies auch auf die Verbesserung des Bodens und den Nährstoffeintrag durch bestimmte Nutzpflanzen hin. Der besonders tonhaltige Ackerboden in Reinfeld und Umgebung begünstigen nicht nur den Anbau bestimmter Pflanzen, er macht den Einsatz von Maschinen auch sehr wetterabhängig. Die Zeitfenster für Aussaat und Ernte sind sehr eng, da Regenfälle das Befahren der Felder mit schweren Landmaschinen stark begrenzen. Hellseherische Wettervorhersagen sind dann gefragt.

Die immer häufigeren langen Trockenperioden lassen den Lehmboden verhärten und gefährden die Ernte. Durch einen höheren Humusanteil soll die Speicherfähigkeit für Wasser erhöht werden. Dies erreicht man durch bestimmte Zwischenfrüchte, die zwischen dem Wechsel der Nutzfrüchte eingebracht werden. Um die Entwicklung der Böden beobachten zu können, hat deshalb Klaas Röhr die derzeitige Dichte einiger Äcker mit sogenannten Lambda-Sensoren gemessen. Die Verbesserung des Humusgehaltes kann dann durch erneute Messungen kontinuierlich verfolgt werden.

Eine große Herausforderung ist der Klimawandel, der in den letzten Jahren zu immer größeren Wetterextremen geführt hatte. Die Wahl des richtigen Saatgutes ist hierdurch zu einem Glücksspiel geworden. Klaas Röhr begegnet diesem Risiko auf seinem Hof durch Streuung der Eigenschaften des Saatgutes, analog der Streuung der Aktien auf dem Kapitalmarkt. Neben Saatgut das unempfindlich gegen längere Wärme -und Trocken-perioden ist, nutzt er nässeunempfindliches Getreide. Ähnlich wählt er Pflanzen mit Resistenzen gegenüber bestimmten Krankheiten aus. Zusammen soll dieses Saatgut-Portofolio das Risiko minimieren und den Ertrag und somit das Überleben seines landwirtschaftlichen Betriebes sichern. Politische Ereignisse, wie der Krieg in der Ukraine haben natürlich auch einen großen Einfluss auf die Ertragslage. Deutlich gestiegene Preise für Diesel und Dünger machen allen Landwirten zu schaffen.

Einen ganz neuen Weg beschreitet Johannes Schacht mit seinem Hof Bolande. Der Hof, dessen Hauptstandbein die Schweinemast ist, soll ein weiteres Standbein bekommen. Schacht, der zurzeit ein Masterstudium in Stuttgart absolviert, möchte in die Nahwärme-erzeugung einsteigen. Hierzu hat er ein Konzept entwickelt, bei dem ein Heizwerk durch Verbrennung von „Hackschnitzel“ in der ersten Ausbaustufe ca. 40 Haushalte mit Wärme versorgen soll. Die Hackschnitzel fallen beim „auf den Stock setzen“ von Knicks an, das alle 10-15 Jahre erfolgen soll. Da in der Umgebung von Reinfeld reichlich Knicks vorhanden sind, gibt es genügend Vorrat an Hackschnitzel. Johannes Schacht lässt zurzeit durch ein Planungsbüro die Rentabilität seines Projektes prüfen.

Leider ist aus Zeitgründen das Thema CO2-Speicherung durch Humusaufbau etwas zu kurz gekommen. Es wird aber sicher nicht das letzte Treffen dieser Art gewesen sein. Wir bedanken uns bei den Gastgebern und hoffen im nächsten Jahr wieder so interessante Informationen erhalten zu können, die wir in der Reinfelder Politik auch angemessen einbringen können.

 

 

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